Wirtschaftsforum Süd
 
 

Handwerkliche Intelligenz stirbt aus

Unternehmer im Nordschwarzwald sorgen sich um Fortbestand des Mittelstands / Wirtschaftsforum diskutiert mit Spitze der Arbeitsagentur

Nagold / Freudenstadt / Böblingen / Pforzheim (k-w). Der Fachkräftemangel wird zu einem echten Problem für die Wirtschaft. Darauf verwies Jürgen Schwab beim Besuch des Wirtschaftsforums Süd in der Arbeitsagentur Nagold Pforzheim. Deshalb sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter möglichst langfristig binden, riet der Vorsitzende der Geschäftsführung, damit ihnen andere die guten Leute womöglich nicht noch vor der Nase wegschnappen.

Vor allem die Sorge um den Fortbestand des Mittelstands treibt derzeit die Unternehmer in den Landkreisen Calw, Freudenstadt, dem Enzkreis und Pforzheim um, wurde bei der Diskussion in Nagold deutlich. „Wir finden im Handwerk keine Azubis mehr“, klagte beispielsweise Christiane Frey von FF Hochbau. Das Dilemma hänge jedoch nicht allein mit den geburtenschwachen Jahrgängen zusammen. Vielmehr habe der Handwerksberuf keinen Stellenwert mehr; im Elternhaus werde die höhere Schulbildung forciert, wodurch immer mehr Jugendliche das Abitur und ein Studium anstrebten. Viele junge Leute hätten jedoch durchaus schlummernde Talente für eine handwerkliche Ausbildung.
„Alle wollen studieren“, sorgte sich auch Alexander Uhl, Geschäftsführer von tewipack in Althengstett, „das ist ein gesellschaftliches Problem.“ Früher habe es in den Kindergärten noch Werkbänke gegeben, an denen Jungs und Mädchen ihre handwerklichen Talente entfalten konnten. Heute fehle die Nähe zum Handwerk.
Gerade deshalb, sagte Siegfried Katz, Geschäftsführer der Flechtmanufaktur Katz in Nagold, „stirbt die handwerkliche Intelligenz aus!“ Kinder hätten ein Anrecht, Ihre haptischen Fähigkeiten möglichst früh zu entdecken, um diese weiter zu entwickeln. Diese Fähigkeiten seien Voraussetzung dafür, den Wirtschaftsstandort der Tüftler und Erfinder zu erhalten. Also müsse die Gesellschaft ein Interesse daran haben, solche Ressourcen zu pflegen. Trotz geänderter Familienstrukturen könnte die Vermittlung haptischer Fähigkeiten durch Senioren ein Lösungsansatz sein, so der Sprecher des Wirtschaftsforums Süd.
Für Mathias Auch steckt das Problem im Detail. „Wir sind auf dem Weg zu einer Dienstleistungsgesellschaft, da will sich keiner mehr die Hände schmutzig machen“, betonte der operative Geschäftsführer der Arbeitsagentur. Jürgen Schwab riet den Führungskräften, vorhandene Potenziale zu nutzen und möglichst oft darauf zu verweisen, dass die duale Ausbildung jungen Menschen beste Chance für die Zukunft einräume. Die Arbeitsagentur biete Hilfestellung bei der Vermittlung von benachteiligten Jugendlichen an, die händeringend einen dualen Ausbildungsplatz suchen. Vor allem sollten sich Unternehmer über eines im Klaren sein: „Der Ausbildungsmarkt ist längst zum Bewerbermarkt geworden“, so Schwab. Die Zahl der offenen Lehrstellen weise mit 3.946 bereits ein Plus gegenüber der Bewerberzahl (3856) auf. Bei der Deckung des Fachkräftebedarfs könne auch das Programm der Bundesregierung für den Süden Europas helfen, wo eine hohe Jugendarbeitslosigkeit vorherrsche.
Der Ukraine-Konflikt sei alles andere als förderlich für Wirtschaft und Arbeitsplätze hierzulande. „Die Arbeitgeber sind bei Neueinstellungen momentan sehr zurückhaltend“, betonte Jürgen Schwab darüber hinaus. Außerdem seien die Prognosen für Geringqualifizierte nicht gerade rosig. Selbst wenn sie in Arbeitsverhältnisse vermittelt würden, sei dies meistens nur von kurzer Dauer.

Wirtschaftsforum

Bei der Arbeitsagentur in Nagold informierten sich die Mitglieder des Wirtschaftsforums Süd über den Arbeitsmarkt im Nordschwarzwald, der bereits von der Suche nach Nachwuchskräften geprägt wird.

 

 

Hilfe zur Selbsthilfe
Die Hilfe zur Selbsthilfe ist das zentrale Hauptanliegen des Wirtschaftsforums Süd, dessen Mitglieder aus den Landkreisen Freudenstadt, Calw, Pforzheim, Böblingen und dem Enzkreis stammen. Der Unternehmerverein wurde vor über 30 Jahren im Nordschwarzwald gegründet, um Persönlichkeiten aus der Wirtschaft zusammenzuführen. Das Wirtschaftsforum Süd fördert den Gedankenaustausch zwischen den Generationen. Seine Vortragsabende und Seminare geben vielen Geschäftsinhabern und Führungskräften aus der Wirtschaft Impulse für das eigene Unternehmen. Städtereisen und Besuche in Mitgliedsbetrieben sind optimale Foren für lebendigen Austausch und Dialog.

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