Sollen sich Christen aktiv in die Politik einschalten? Staatssekretär Ingo Rust hat diese Frage längst für sich entschieden. Auch wenn ihn diese Aufgabe zum „doppelten Exoten“ macht. „Du wirst von allen Seiten misstrauisch beäugt“, sagt das Mitglied der Landesregierung, „aus den Reihen der Kirche wie der Politik.“ Aber Ingo Rust beklagt diese Situation nicht, als er im Nagolder Aufbaugymnasium auf die „große Koalition“ trifft, im Gegenteil: Er ist aus Überzeugung Politiker.
„Gott hat uns verschiedene Gaben gegeben“, sagt der Staatssekretär, was schon in der Bibel dokumentiert sei. Als christlicher Politiker prüfe er sich jeden Tag, ob er dem Plan Gottes für seine Person gerecht werde, „und das ist nicht immer einfach.“ Denn mit der Berufung in ein solches Amt werde man zur Person des öffentlichen Lebens, die permanent mit Fragen, Anfeindungen, aber auch Hoffnungen konfrontiert werde. Dennoch erlebe auch er Zustimmung, wenn er zum Beispiel aus christlicher Überzeugung gegen verkaufsoffene Sonntage plädiere. Sorge bereitet ihm vor allem eines: „Trotz modernster Kommunikationsmittel war das Wissen um Staat und Kirche noch nie so gering in unserer Gesellschaft.“
Rust ist in seiner Heimatgemeinde Abstatt geerdet, ist regelmäßig beim fraktionsübergreifenden Gebetsfrühstück der Abgeordneten dabei: „Erst wird gebetet, dann gestritten!“ Als christlicher Politiker lasse er sich nicht von Ehrgeiz zerfressen, wisse er aber auch um die Notwendigkeit, Kompromisse eingehen zu müssen. „In der Politik gibt es im Schnitt genauso viele schwarze Schafe wie in unserer Gesellschaft insgesamt“, brach Ingo Rust eine Lanze für die Kollegen im Landesparlament, auch wenn die Schlagzeilen in den Medien oft etwas anderes vermuten ließen. Es sei natürlich schwierig, als Politiker einer Vorbildfunktion gerecht zu werden, wo doch kein Mensch unfehlbar sei. Was ihn besonders bedrücke sei, dass die Politik dank hoher Verschuldung immer weniger Gestaltungsspielräume für nachfolgende Generationen hinterlasse.
Die Diskussion mit den Unternehmern, Führungskräften und ihren Gästen drehte sich bald schon auch um durchaus weltliche Themen wie Steuerrecht, Schulden- und Stellenabbau, Wirtschaftsförderung, Nationalpark oder die persönliche Haftung bei politischen Fehlentscheidungen. Die Landesregierung wolle den Nationalpark zu einer Marke ausbauen, setzte sich Rust mit Kritik auseinander. Gleichwohl könne sie mit ihrer Prognose, den Tourismus mit dem Projekt nachhaltig zu unterstützen, richtig oder falsch liegen. Er könne die Emotionalität verstehen, mit der die Bürger in der Region diskutieren, sagte der Staatssekretär, nicht jedoch die Schärfe, die sich bei manchen Themen aufbaue. Rust: „Wer mir vor 20 Jahren gesagt hätte, dass der Stuttgarter Bahnhof zu einer Glaubensfrage wird, den hätte ich damals für verrückt gehalten.“
Ingo Rust weicht an diesem Abend keiner Frage aus. „Sie sind sehr ehrlich mit dem Thema umgegangen“, sagte IHK-Geschäftsstellenleiter Marc Dahl, als er dem Staatssekretär namens der „vier Koalitionäre“ für das „offene Gespräch“ dankte.