Nagold / Calw / Freudenstadt / Böblingen / Pforzheim (k-w). Mit erhöhter Wachsamkeit verfolgen die Unternehmer der Region die Wirtschaftspolitik auf europäischer wie auch internationaler Ebene. Das wurde einmal mehr bei einem Diskussionsabend des Wirtschaftsforums Süd auf dem Nagolder Wolfsberg deutlich.
Die Mitglieder aus den Landkreisen Freudenstadt, Calw, Böblingen, dem Enzkreis und Pforzheim hatten den gebürtigen Nagolder Rainer Sindlinger zu einem Vortrag eingeladen. Sie wollten von dem Reutlinger Immobilienmakler mehr darüber erfahren, wie vor allem die deutschen Aktivitäten zur Stabilität in Europa und zur Euro-Rettung auf internationalem Parkett eingestuft werden. Zum Kundenstamm des profunden Kenners internationaler Märkte zählen potente Investoren in Gewerbeimmobilien in aller Welt.
"Es verändern sich so viele Strukturen, was ich niemals für möglich gehalten hätte", sagte Sindlinger, der ein Ende des Euro-Systems in seiner ursprünglichen Konzeption prognostizierte. Allein diese These sorgte für eine lebhafte, wenngleich sachliche Diskussion in den Räumen der Flechtmanufaktur Katz, die sich später am Lagerfeuer im Garten fortsetzte. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass die internationale Wirtschaftsproblematik ein höchst brisantes Thema ist, in der nach Ansicht des Referenten Deutschland als Retter Europas bereits zu tief verstrickt ist.
Doch bei aller Diskussionsfreude wurde auch sehr schnell deutlich: Selbst in Unternehmerkreisen kennt man keine Patentrezepte für die Lösung der europäischen Krise. Im Gegenteil: "Wir dürfen auf jeden Fall nicht vergessen", sagte beispielsweise Siegfried Katz, "dass unser Wunder der Nachkriegszeit auch nur dadurch ermöglicht wurde, weil man uns unsere Schulden erlassen hat." Die damalige Hilfe aus dem Ausland müsse man auch heute noch als Geschenk werten, so der Sprecher des Wirtschaftsforums Süd, "weshalb wir durchaus einen Teil davon reinvestieren dürfen."
Ab wann müssen Bürger und Führungskräfte querdenken? Gibt es politische Alternativen zur derzeitigen Wirtschaftspolitik in Europa? Fragen über Fragen, über die letztendlich kontroverse Antworten aus den Kreisen der Unternehmer gegeben wurden. Dabei griff man sowohl die These Rainer Sindlingers auf, ob sich Europa womöglich nicht auf dem Weg zu einer starken zentralistischen Union, die zu Lasten der einzelnen Mitgliedsstaaten und ihrer Bürger gehe, befinde. Auf der anderen Seite wurde die Meinung vertreten, dass sich Deutschland und Europa ohne den Euro im Export heute wesentlich schwerer tun würde.
In vielen Staaten werde bereits seit über zehn Jahren mit dem Euro bezahlt. Urlauber bräuchten keine ausländischen Zahlungsmittel innerhalb Europa mehr tauschen. Als Buchgeld wurde der Euro schon zum 1. Januar 1999 eingeführt. Diese Währung habe sich sogar weltweit als Zahlungsmittel fest etabliert und stärke die deutsche Wirtschaftskraft. Ist also das immer wieder geforderte Zurück zur alten D-Mark nicht Utopie?
Um nicht den Technokraten in Europa das Feld zu überlassen, wollen die meisten Unternehmer ein wachsames Auge auf die Wirtschaftspolitik haben. Für sie ist klar, dass keine neuen Schuldenberge zur Lösung der Wirtschaftsproblematik aufgetürmt werden dürfen. Einige halten sogar einen Schuldenschnitt für nötig, auch wenn der unbequem wäre. Denn viele würden sich zwar zur Hilfe für Europa bekennen, doch die bittere Medizin dazu wolle keiner schlucken.
INFO
Die gläserne Produktion der WALTER KNOLL AG & Co.KG in Herrenberg (Bahnhofstr. 25) besucht das Wirtschaftsforum Süd nach der Sommerpause. Am Dienstag, 24. September, gibt es ab 19 Uhr zunächst eine Führung durch Produktion und Ausstellung. Im Anschluss an einen Impulsvortrag von Vorstand Markus Benz ist eine Diskussionsrunde geplant.